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Politik zum Mitreden

SUPERillu-Umfrage: Warum wählen so viele im Osten AfD?

Nirgendwo sonst in Deutschland hat die AfD so hohe Umfragewerte wie in den östlichen Bundesländern, in Thüringen stellt sie bereits einen Landrat, in Sachsen einen Oberbürgermeister. Vielleicht erobert sie dort bald auch das Amt des Ministerpräsidenten. Ein Faktencheck, woran das liegt.

Die Entwicklung der AfD: Von einer Protestpartei zur Volkspartei

Schon als die AfD vor mehr als zehn Jahren als Protestpartei gegen den Euro startete, hatte sie im Osten deutlich mehr Anhänger als im Westen. In Ostdeutschland war die von der AfD geschürte Skepsis gegenüber der lockeren Geldpolitik der EU größer als in Westdeutschland. Die Angst, den eigenen Wohlstand zu verlieren, war (und ist) im Osten größer als im Westen, genau wie die Zweifel an der Stabilität des Systems insgesamt. Verwunderlich ist das nicht, haben die Ostdeutschen doch – anders als die Westdeutschen – während ihrer eigenen Lebenszeit beim Zusammenbruch der DDR und ihrer Volkswirtschaft 1989/90 einen solchen Systembruch erlebt; sie wissen also, wie hart es ist, sich Wohlstand neu erarbeiten zu müssen.

Aus der Protestpartei von 2013 ist mittlerweile eine Volkspartei geworden. Den Ost-West-Unterschied in den Umfragen gibt es aber immer noch. Im Westen steht die AfD aktuell bei 15,5 Prozent, im Osten dagegen, wie in Thüringen und Sachsen, zum Teil bei über 30 Prozent.
Die AfD-Themen sind in Ost wie West gleich. Im Osten kommen sie aber oft besser an.

Unterschiede in den Themen und Anliegen im Osten und Westen

EU-Frust und Euro-Angst spielen dabei keine große Rolle mehr. Dass die AfD in ihrem offiziellen Wahlprogramm radikal fordert, sowohl die EU aufzulösen als auch den Euro abzuschaffen, ist keines ihrer in Ost wie West besonders populären Ziele. Wer will schon, dass in Europa wieder die Schlagbäume runtergehen? In der Corona-Krise führten viele EU-Länder wieder harte Kontrollen an den Binnengrenzen ein. Zum Teil über 100 Kilometer lange Staus Richtung Polen oder Italien zeigten damals eindrucksvoll, wie stark Europas Wirtschaft inzwischen untereinander vernetzt ist – und wie verheerend es für sie und damit auch für unseren Wohlstand wäre, das alles wieder rückgängig zu machen. Auch die Stabilität des Euro bietet für die AfD aktuell wenig Angriffspunkte. Die kurz nach der Coronakrise auf bis zu 10 Prozent hochgeschossene Inflation hat mit aktuell 2,6 Prozent wieder ein erträgliches Maß erreicht. Und die Euro-Schuldenkrise ist zwar nicht ausgestanden, aber aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden.

Die Bedeutung von Asyl- und Migrationspolitik für die AfD-Wähler

In Ost und West punktet die AfD heute mit anderen Themen. Allen voran mit dem, was sie im Jahr 2015 aus der Versenkung rettete: dem Frust vieler Deutscher über eine Asyl- und Migrationspolitik, die trotz aller Reformen voller Missstände und Widersprüche ist. Bei vielen AfD-Wählern kommen die knallharten Parolen von der „Messermigration“ gut an. Gemeint sind im AfD-Jargon islamische Migranten, von denen einige tatsächlich durch archaische Gewalttaten Aufsehen erregten, andere wie der Berliner Remmo-Clan durch organisierte Kriminalität.

Daneben punktet die AfD bei vielen Wählern mit dem Anprangern von Sozialmissbrauch durch Asylbewerber. Diese Missstände gibt es zweifellos, auch wenn man sich streiten kann, ob sie wirklich so umfangreich sind, wie die AfD das behauptet. Fakt ist: Es gibt viele Millionen anständige Einwanderer, die seit der Ankunft der ersten „Gastarbeiter“ in der alten Bundesrepublik vor 70 Jahren Deutschland wirtschaftlich vorangebracht haben. Diese legale und überwiegend vorteilhafte Einwanderung währt bis heute – vom bulgarischen Handwerker bis zum indischen IT-Spezialisten. Dass die AfD bei diesem Thema im Osten mehr Wähler anzieht als im Westen, liegt u.a. daran, dass der erfolgreiche Teil dieser Migration oft am Osten vorbeiging. Statt begehrten Fachkräften kamen dort eher, zwangsweise zugeteilt, oft nur schlecht oder gar nicht ausgebildete Asylbewerber an – also Menschen mit der schlechtesten Integrationsbilanz und den meisten Problemen.

Die Rolle der Energiewende und der Gender-Debatte für die AfD

Die von der AfD geschürte Wut auf die Energiewende dürfte ihr in Ost wie West in gleichem Maße Wähler zutreiben, ebenso die Gender-Debatte. Dass die Grünen komplett und die SPD das „Gendern“ unterstützen und viele Sprecher im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk „gendern“, lehnt eine breite Mehrheit der Deutschen ab – in beiden Teilen des Landes.

Der Einfluss des Russland-Themas im Osten Deutschlands

Beim Russland-Thema allerdings ist spürbar, dass die AfD-Linie im Osten auf fruchtbareren Boden fällt als im Westen. Liegt es daran, dass viele Ostdeutsche in vier Jahrzehnten als „Bruderland“ der Sowjetunion (inklusive Sowjetsoldaten im Land) ein besonders sentimentales Verhältnis zu den Russen entwickelt haben? So argumentierte zumindest einst der ostdeutsche Vorsitzende des „Deutsch-Russischen Forums“, Matthias Platzeck, der selbst neben einer sowjetischen Kaserne in Potsdam aufgewachsen war. Merkwürdig daran ist, dass die Bürger anderer „Bruderländer“ wie Polen, Tschechien oder den baltischen Staaten aus diesen 40 Jahren sowjetischer Dominanz genau die gegenteiligen Schlüsse zogen und den Russen meist wenig Sympathie entgegenbringen. Und eine „große Liebe“ ist auch im Osten Deutschlands nicht entstanden. Die meisten scheiterten in Sachen Verbrüderung schon sprachlich im bei vielen unbeliebten Russisch-Unterricht. Doch derartige Gefühle lassen sich schlecht messen.

Was sich durch Meinungsumfragen aber genau dokumentieren lässt, ist, dass die Skepsis der Ostdeutschen gegenüber der NATO wesentlich größer ist als im Westen – und dabei vor allem das Misstrauen gegenüber den USA, die der von Russland überfallenen Ukraine besonders viel Hilfe leisten. Nur 26 Prozent aller Ostdeutschen halten laut dem „Sicherheitsreport 2023“ des Meinungsforschungsinstituts Allensbach die USA für einen „verlässlichen Bündnispartner“. Im Westen sind es 50 Prozent. Umgekehrt ist die Zahl der Ostdeutschen, die Russland für „eine große Gefahr“ halten, mit 73 Prozent geringer als im Westen (84 Prozent). Bei diesen Umfragewerten schwingt wahrscheinlich auch der einstige Kalte Krieg mit, bei dem die Ostdeutschen von US-Atomraketen bedroht waren, die Westdeutschen von sowjetischen Atomraketen.

Existenzangst und finanzielle Sorgen als Faktoren für AfD-Wähler

Überdurchschnittlich punkten kann die AfD – in West und Ost – bei Wählern, die Existenzangst haben. 53 Prozent der AfD-Wähler geben laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung an, sich Sorgen, um ihre finanzielle Situation zu machen, weit mehr als im Bundesschnitt (40 Prozent). Im Osten ist diese Wählergruppe größer als im Westen; Löhne und Haushaltsvermögen sind hier durchschnittlich niedriger. Die AfD präsentiert sich gern als „Partei des kleinen Mannes“ - auch wenn das nicht komplett der Realität entspricht. In ihrem Parteiprogramm fordert sie einen Kurs, der vor allem Wohlhabende freuen dürfte. So will sie die Erbschaftssteuer streichen und die Mietpreisbremse abschaffen, was viele Mieter belasten würde. Im Bundestag stimmte die AfD dafür, die Steuerlast für Besserverdienende zu senken, verweigerte aber Entlastungen für Alleinerziehende und Geringverdiener ab. Den sozialen Wohnungsbau will sie komplett stoppen. Und auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, von dem in manchen Regionen Ostdeutschlands jeder vierte Arbeitnehmer profitiert, lehnte sie ab. 

Was AfD-Wähler sagen

Die Umfrage unter AfD-Wählern machte SuperIllu am 14. und 15. März 2024 in Sachsen und Thüringen. Die Zitate spiegeln deren Meinung wider.

Mich überzeugt das Programm der AfD. Die Ursache der wirtschaftlichen und sozialen Krise in unserem Land liegt in der Politik der etablierten Parteien. Außerdem habe ich die Gängelung durch weltfremde Gesetze und Vorschriften statt.“ - Gert Krause, 68, Tischlermeister in Rente aus Plauen (Sachsen)

Die Erträge aus unserer Arbeit soll den Menschen in unserem Land zugutekommen. Ich bin für den Erhalt unserer Muttersprache, der kulturellen Werte und Traditionen. Und ich bin für eine ideologiefreie Bildung in Schulen und Kitas.“ - Sylvio M., 54, Außendienstmitarbeiter aus Zeulenroda (Thüringen)

Ich bin gegen die Frühsexualisierung unserer Kinder, gegen unkontrollierte Einwanderung und den Genderwahnsinn.“ - Sandra Oszczak, 48, Gastronomin aus Pausa (Sachsen)

Ich befürworte eine Zusammenarbeit mit Russland, die Beendigung des Krieges in der Ukraine, indem Deutschland keine Waffen mehr an die Ukraine liefert. Ich bin für eine Ausweisung aller kriminellen Ausländer und solcher, die keine Aufenthaltsgenehmigungen haben.“ - Ralf Thoß, 68, Gastronom im Ruhestand aus Plauen (Sachsen)

Die AfD schafft mit ihrem Wahlprogramm als einzige  Partei die Möglichkeit, dass  das erwirtschaftete Geld auch im eigenen Land bleibt.“ - Cornelia Tristram, 55, selbstständig, aus Greiz (Thüringen)